Senkung: Beckenbodentherapie und Pessarversorgung.

Wenn Harn nicht mehr zurückgehalten werden kann, wenn ein komischer Druck nach unten im Unterbauch zu spüren ist, wenn der Tampon ständig heraus rutscht, Schmerzen beim Sex auftreten, wenn Harn in der Harnblase zurückbleibt, Stuhl im Rektum zurückbleibt, oder ein störendes Fremdkörpergefühl in der Scheide entsteht… Dann stellt die Gynäkologin möglicherweise eine Senkung fest. Als Diagnose lesen wir dann soetwas wie: Zystozele (Blasensenkung), Rektozele (Aussackung der Mastdarmvorderwand), oder Uterozele (Gebärmuttersenkung).

Bei einer Organsenkung haben die Gebärmutter, die Blase, oder das Rektum die ursprüngliche Position verändert und sich auf die Reise „nach unten“ begeben. Da diese Beckenorgane – wie alles im Körper – über Bindegewebe, Bänder und Faszien miteinander verbunden sind, senken sie sich oft zusammen ab.

Dann wölben sich die vordere oder hintere Scheidenwand in die Scheide hinein, oder der Muttermund senkt sich ab.

Das kann unterschiedliche Ursachen haben:

  • Schwangerschaften und Geburten
  • schwaches Bindegewebe
  • Übergewicht
  • schwere körperliche Arbeit
  • gewohnheitsmäßiges Pressen beim Stuhlgang
  • chronischer Husten
  • schwacher Beckenboden
  • Hormonveränderungen

Klingt erst mal gruselig. Da soll doch bitte nichts unten rauskommen!

Genau. Also tun wir etwas dagegen. Und das Gute ist – es gibt super Behandlungsmethoden.

„Beckenbodentraining“? Nennen wir es doch lieber Beckenbodentherapie.

Von ärztlicher Seite wird vorerst Beckenbodentraining empfohlen.

Das ist schon mal super. Aber es gehört so viel mehr dazu. Nennen wir es also lieber Beckenbodentherapie: Dabei betrachten wir nicht nur eine mögliche Beckenbodenschwäche, sondern die gesamte Körpermitte. Wie steht es um die restliche Rumpfmuskulatur? Was macht die Atmung? Was machen Hüft- und Gesäßmuskeln? Wir werfen auch einen Blick auf Lebensstil und Alltagsverhalten.

An- und Entspannen des Beckenbodens will außerdem gelernt sein – viele Frauen brauchen erst mal ein gefühlvolles Heranführen und Kennenlernen ihres Beckenbodens, um das richtige Spannen zu lernen. Es ist gar nicht so leicht, die Beckenbodenaktivität mit der Atmung zu koordinieren und zu lernen, dass der Po dabei lockerlassen darf. Und Spannen soll auch nicht verwechselt werden mit Zusammenzwicken-auf-Teufel-komm-raus. Der Beckenboden darf auf richtige Art und Weise trainiert werden – ständiges Spannen, beim Stehen, beim Autofahren, beim Gehen, ist jedoch keine gute Idee.

Beim Beckenbodentraining dürfen auch Hilfsmittel eingesetzt werden – nachdem die richtige Aktivierung korrekt gelernt wurde. Hilfsmittel, wie Biofeedbacksonden oder Elektrotherapie werden individuell besprochen und die passenden ausgewählt. Von Gewichten – wie Liebeskugeln oder Vaginalkonen – rate ich bei Beckenbodenbeschwerden ab.

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Okay, cool. Was können wir noch tun?

Ein gesunder Beckenboden stützt die Beckenorgane nach oben. Was der Beckenboden jedoch nicht kann: Er kann verdünntes, verlängertes Gewebe nicht wieder verkürzen. Wir können Bänder und Faszien nicht wieder straffen, wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Nicht zur Gänze. Nur ein bisschen 😉

Je nach Ausprägung der Senkung kann also über weitere Therapiemethoden gesprochen werden.

Manche Gynäkologinnen erwähnen dann schnell mal die Option einer Operation. Klingt verlockend: Schnallen wir die Organe doch einfach wieder rauf! Naja, so einfach ist das nicht. Und auch nicht so risikofrei. Nicht immer ist die Operation erfolgreich, es gibt fiese Komplikationen und es kommt vor, dass sich trotz OP wieder eine Senkung bildet.

Zum Glück gibt es da noch etwas Anderes: Pessare!

Pessare sind würfel-, schalen- oder ringförmige Kunststoffteile, die in die Scheide eingeführt werden und die Scheidenwand oder Gebärmutter innen stützen.

Die Idee, eine Senkung mit einer passiven Stütze zu behandeln, gibt es schon lange. Schon Hippocrates beschrieb die Empfehlung, einen halben, in Wein getränkten Granatapfel in die Vagina einzuführen. An dieser Stelle danken wir mal dem Universum für das Zeitalter, in das wir hinein geboren wurden. Wie schön, dass wir nicht mehr mit Granatäpfeln arbeiten müssen. (1)

Leider haben Pessare mancherorts eher eine stiefmütterliche Stellung. Nicht alle Ärzt:innen sind überzeugt von ihrer Wirkung – das sei ja nur etwas für alte Frauen. Oder: Das will sich ja keine Frau antun, viel zu aufwändig so ein Pessar. Oder: Eine Senkung gehört halt nach der Geburt dazu. Gewöhn’ dich dran.

Stopp, stopp, stopp.

Wir lassen uns von Niemandem sagen, was unser „Normal“ ist.

Unsere Gesundheit und Sexualität sind uns jede Mühe wert. Denn ich weiß, was Frauen nicht wollen. Dass sich ihre Organe nach unten verabschieden. Zum Beispiel. Also her mit dem Pessar.

Untersuchungen zeigen, dass betroffene Frauen nach einjähriger Anwendung eines Würfelpessares über eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität berichten. Sie empfanden den Umgang mit dem Pessar – also das Ein- und Ausführen sowie die Reinigung – als unkompliziert. (2)

Zum Glück werden Pessare mittlerweile immer öfter schon bei jungen Frauen mit Senkungsbeschwerden eingesetzt – auch nach der Geburt.

Wenn ein Pessar gut sitzt und richtig passt, spürt und merkt es die Frau nicht.

Er stützt das Gewebe und das Bindegewebe wird entlastet. Dadurch ist auch das Beckenbodentraining effektiver.

Studien beschreiben eine Verbesserung der Senkung und damit verbundener Beschwerden. Nach einem Jahr wird ein mit einer OP vergleichbarer Erfolg beschrieben. Wenn das nicht eine brauchbare Alternative zum Skalpell ist! (1)

Dir wurde eine Senkung diagnostiziert? Keine Panik. Besprich die nächsten Schritte mit deiner Ärztin und gynäkologisch spezialisierten Therapeutin. Und dann packen wir’s an!

(1) Lamers, B.H.C., Broekman, B.M.W. & Milani, A.L. Pessary treatment for pelvic organ prolapse and health-related quality of life: a review. Int Urogynecol J 22, 637–644 (2011).

(2) Nemeth, Z., Nagy, S. & Ott, J. The cube pessary: an underestimated treatment option for pelvic organ prolapse? Subjective 1-year outcomes. Int Urogynecol J 24, 1695–1701 (2013).

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